Mahnmal: Noch kurz vor Kriegsende 1945 mussten 90 KZ-Häftlinge elend sterben
Die Stelen von Soltau
Ein SPD-Politiker sammelte Spenden, weil der Rat der Stadt keine Steuergelder geben wollte.
Soltau. Grau und kühl ragen die Quader aus dem Boden. Dass sie an das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnern, ist kein Zufall. Die acht Stelen aus Beton in Soltau (Landkreis Soltau-Fallingbostel) hat der amerikanische Architekt Peter Eisenman entworfen. Es sind seine Berliner Musterstelen, also die Vorlagen für die 2711 Exemplare, die das Stelenfeld in der Hauptstadt bilden. Die Stadt Soltau hat aus diesen Modellen ein eigenes Mahnmal errichtet - als Erinnerung an die Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geworden sind. Morgen wird es der Öffentlichkeit übergeben.
"Soltau hat aus dieser Zeit einiges aufzuarbeiten - und tut sich schwer damit", sagt Wilfried Worch-Rohweder, Initiator des Mahnmals. Der SPD-Politiker hatte 2003 Kontakt zur "Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas" aufgenommen und sie von seiner Idee eines Mahnmals für Soltau überzeugt. Der Rechtsanwalt und damalige stellvertretende Landrat machte seine Pläne öffentlich - und traf auf teils erbitterten Widerstand. Die Frage war grundsätzlich: Braucht Soltau ein solches Mahnmal?
Nach einigem Hin und Her stimmte der Soltauer Rat 2005 schließlich zu. Mahnmal ja, öffentliche Mittel nein. Begründung: der klamme Haushalt. Zusammenkommen sollten die geschätzten 40 000 Euro für das Projekt durch private Spenden. Damit sein Projekt sich nicht über Jahre hinzog, sprach Worch-Rohweder gezielt Firmen an. Und er hatte Erfolg. Unternehmen unterstützten seine Pläne, gaben Geld oder halfen kostenlos mit Baggern und Kränen aus, um den Platz für das Mahnmal herzurichten. Ein befreundeter Künstler und ein Architekt aus der Region verzichteten auf ihr Honorar und gestalteten das Mahnmal. "Dieser Zuspruch tat gut", erinnert sich Worch-Rohweder.
Sechs Quader sind versetzt angeordnet. Sie bilden einen Weg, der auf zwei etwa vier Meter hohe Stelen trifft. Das Mahnmal steht für die Opfer des Nationalsozialismus. Es geht dabei auch um ein ganz eigenes dunkles Kapitel Soltauer Stadtgeschichte. Soltau war Eisenbahnknotenpunkt. Auf der sogenannten Heidebahn rollten Züge überall hin - auch ins nahe gelegene Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Am 11. April 1945, wenige Tage vor Kriegsende, gerät einer dieser Züge bei Soltau in einen Bombenangriff. Die Häftlinge können entkommen, sie verstecken sich in den Wäldern - viele von ihnen in einem Gebiet namens "Sibirien". Die örtlichen Vertreter des NS-Regimes rufen die Bevölkerung auf, sich an der Suche zu beteiligen und die Häftlinge "unter allen Umständen unschädlich zu machen, sollten sie sich zur Wehr setzen". Die Suche wird zur Hatz, Volkssturm und Hitlerjugend sind auch dabei. Sie erschießen die Häftlinge, verscharren sie im Soltauer Boden. Die Überreste von 90 Toten werden im Laufe der Jahre gefunden.
An jener Stelle, im "Sibirien" von Soltau, erinnern nun die Stelen an die Opfer des Nazi-Terrors. Eine Gedenktafel soll folgen. Der Text wird noch von Historikern überarbeitet und ergänzt - und mehr auf die Ereignisse in Soltau zugeschrieben.
fotografiert von wausk im juli 2009
f/3.5 1/250 24 mm iso 400
f/7.1 1/80 50 mm iso 400